17.06.2024

Gesellschaft

Dresden: smart gekühlt

Beat the Heat
Durch verschiedene Projekte und Maßnahmen hat sich Dresden einen Namen gemacht als Stadt, die der Hitze mutig entgegensteht. Credit: Michael Treu via pixabay
Durch verschiedene Projekte und Maßnahmen hat sich Dresden einen Namen gemacht als Stadt, die der Hitze mutig entgegensteht. Credit: Michael Treu via pixabay

Seit der Wende ist der Bedarf an Wohnfläche in Dresden um ein Drittel gestiegen. Entsprechend hat die sächsische Landeshauptstadt sehr viel gebaut – mit negativen Folgen für Brachflächen und Stadtgrün. Die zunehmende Verdichtung und Versiegelung sowie abnehmende Grün- und Freiflächen begünstigen neue Hitzeinseln. Seit ein paar Jahren setzt Dresden neben konventionellen Maßnahmen wie Entsiegelung aber nun auch auf die Hilfe von KI.

Die Stadtverwaltung von Dresden beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Klimawandel und den notwendigen Veränderungen. So sollen etwa, ähnlich wie Frankfurt am Main, Fassadenbegrünungen künftig Pflicht werden – jedoch nur für Neubauten und für großflächige, fensterlose Fassaden mit über 25 Quadratmeter Fläche. Für die sehr heißen Sommer, die extreme Grundwasserdürre und die hohe Brandgefahr in Ostsachsen, im Elbtal und in Dresden ist das jedoch nicht ausreichend. Die Hitzewellen, die nun jährlich auftreten, führen bereits jetzt zu gesundheitlichen Belastungen für viele Menschen sowie zu Schäden in der grünen Infrastruktur.

Dennoch hat Dresden sich einen Namen gemacht als Stadt, die der Hitze mutig entgegensteht: Als Modellstadt wird sie aufgrund ihrer Expertise überregional angefragt. Dies liegt an großen abgeschlossenen Studien wie etwa der „Regklam“ zur regionalen Klimaanpassung, dem aktuellen Forschungsverbund „HeatResilientCity“, der 2022 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis bekam, und an Auszeichnungen wie dem Preis für „Dresden baut Grün“ als klimaaktive Kommune im Jahr 2020.

Laut Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen ist Dresden fachlich gut aufgestellt, was die Anpassung an die Hitze angeht. Nun fehle noch die Umsetzung im Alltag der Stadt, da viele Maßnahmen nicht ausreichend Ressourcen erhalten, um flächendeckend zur Praxis zu werden. „Aufgaben zur Klimaanpassung müssen Bestandteil unserer Daseinsfürsorge und Pflichtaufgabe werden. Alles, was neu gebaut wird, muss nach diesen Kriterien ausgerichtet werden“, so Jähnigen.

Credit: Image by Andreas via pixabay
Credit: Andreas via pixabay

Dresden wird wasserdurchlässiger

Eine praktische Anpassungsmaßnahme in Dresden ist der Hitzeschutz im Rahmen der Renaturierung von Flussläufen und Bächen in der Stadt. Laut Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat Dresden in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro in diese Projekte investiert. Detailliertere Informationen dazu sind jedoch schwer zu finden – und die lange Trockenheit macht selbst renaturierten Flüssen zu schaffen. So können sie in Hitzeperioden nicht wie gewünscht dazu beitragen, Hitzeinseln in der Stadt zu mildern.

Darüber hinaus möchte sich Dresden als Schwammstadt aufstellen und den Abfluss von Regen neu organisieren. So soll die Stadt nicht nur auf Hitze, sondern auch auf Starkregenfälle vorbereitet sein. Maßnahmen wie die Entsiegelung verschlossener Oberflächen, Rückhaltebecken, Gräben und Zisternen kann die Stadt Regenwasser lokal aufnehmen, anstatt es abzuleiten. Darüber hinaus können zusätzliche Grünflächen zur Kühlung der Stadt beitragen.

Ein Pilotprojekt am Dresdener Südpark testet bereits, wie das Regenwasser optimal versickern kann. Für das neue Technische Rathaus der Stadt, ausgeführt von Ed. Züblin und Dressler Bau, ist eine Zisterne mit zehn Quadratmeter Fassungsvermögen geplant, die zum Wässern von Grünanlagen und Bäumen dienen soll. Und schon jetzt schreibt die Stellplatzsatzung der Stadt vor, Parkplätze mit Rasengittersteinen wasserdurchlässig zu bauen. Pro fünf Stellflächen muss ein Baum auf der Parkfläche gepflanzt werden. Haltestellen sollen zudem künftig mit Gründächern ausgestattet werden.


Daten trainieren KI-Algorithmen zu Hitzeinseln

Darüber hinaus findet in Dresden ein innovatives Projekt zur Stadt- und Verkehrsplanung statt: KLIPS ist eine KI-basierte Informationsplattform für die Lokalisierung und Simulation von Hitzeinseln. Diese Plattform soll es möglich machen, künftig mithilfe eines lokalen Sensornetzwerks und künstlicher Intelligenz Hitzeinseln in Echtzeit zu lokalisieren. Zudem soll eine Prognose möglich sein, um die Gefahr für Hitzeinseln rechtzeitig zu erkennen und zu bannen.

Dabei greift KLIPS auf größtenteils bereits existierende Daten zurück, wie etwa auf Datenbestände von Pilotstädten und Satellitendaten der Sentinel-Flotte des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. Neue Sensornetzwerke in Dresden und Langenfeld sollen die räumliche Auflösung dieser Daten erhöhen, damit lokal verlässliche Messdaten gewonnen werden können. Diese messen permanent die Temperaturen an besonders temperaturempfindlichen Stellen im Stadtgebiet.

Die Daten von KLIPS werden außerdem im Rahmen des Maschinellen Lernens die KI-Algorithmen trainieren. So ist es möglich, die Folgen der Bau- und Verkehrsplanung für Hitzeinseln sowie die Wirkung geplanter Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzeinseln einzuschätzen.

Image: Joachim Scheibenpflug via Pixabay
Image: Joachim Scheibenpflug via Pixabay

Grüne Maßnahmen in hitzegefährdeten Mikroklimen

KLIPS soll im Frühjahr 2023 starten. Bis dahin plant die Stadt Dresden 300 Temperatursensoren im Stadtgebiet zu verteilen. Bis mindestens 2026 soll das System laufen und wichtige Informationen zu Hitzeinseln im Stadtgebiet liefern. Der Bund fördert das Vorhaben bis 2024 mit 2,3 Millionen Euro aus dem Ministerium für Digitales und Verkehr. Außerdem leisten die beteiligten Projektpartner Eigenanteile.

Die Hoffnung von KLIPS ist es, ein integrales Werkzeug für die Bau- und Verkehrsplanung zu werden. Das Projekt soll eine Datengrundlage für Prognosen zur lokalen Hitzesituation schaffen. Zusätzlich zu den 300 Sensoren werden auch Satelliten-, Kataster-, Wetter- und Klimadaten das Datenbild ergänzen. Von dieser digitalen Modellierung lassen sich verschiedene Anwendungen ableiten. Dazu könnte etwa ein Hitzewarnsystem gehören, um die Öffentlichkeit bei extremen Temperaturen zielgerichteter zu informieren.

Auf Grundlage der Datenbasis soll die Stadt zudem in der Lage sein, abzuschätzen, wie sich Wasserläufe, Verschattungen, Fassadenbegrünungen, Bäume und Oberflächengestaltung auf das lokale Mikroklima auswirken. Entsprechend würde KLIPS sowohl die Gestaltung öffentlicher Straßen, Plätze und Parks als auch Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die Frage nach einer möglichen Begrünung von Bahngleisen informieren.


Dresden als Pilotstadt in der EU

Neben der Stadt Dresden sind diverse weitere Akteure an KLIPS beteiligt: Die Software AG, das ERGO Umweltinstitut, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, das Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof, das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung sowie die Firmen Pikobytes, terrestris und meggsimum. Zudem ist die Stadt Langenfeld im Rheinland eine Pilotkommune innerhalb des Forschungsprojekts.

Dresden arbeitet als Pilotstadt und führende deutsche Stadt in Hitzemaßnahmen auch beim EU-Programm MAtchUP mietet. Dieses Modellprogramm zur nachhaltigen Stadtentwicklung untersucht, wie Smart-City-Anwendungen intelligente Lösungen für die urbane Transformation darstellen können. Auch Valencia und Antalya arbeiten an diesem Programm mit.


Von Anpassung zur Milderung der Klimawandelfolgen

Erste Ergebnisse von KLIPS werden mit Spannung erwartet. Schließlich könnten die Daten in Kombination mit künstlicher Intelligenz wesentlich zur Anpassung an die künftig wärmeren Temperaturen beitragen und unter anderem die Gesundheit der Dresdner*innen, aber auch Flora und Fauna in der Stadt, schützen.

Darüber hinaus ist es jedoch nötig, Maßnahmen zur Milderung der Folgen des Klimawandels zu treffen, und zwar so schnell wie möglich. Projekte mit einer größeren Vision zum Klimaschutz, wie etwa eine deutlich verbesserte Energieeffizienz im Gebäudesektor oder die konsequente Begrünung von Dächern in der Stadt, fehlen in Dresden – ebenso wie in fast allen anderen großen Städten – noch.

 

Mehr zu diesem Thema in G+L 06/23.

Veröffentlicht im Rahmen der internationalen Initiative Beat the Heat.

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