18.06.2024

Gesellschaft

Frankfurt: Hitzepionierin in Grün

Beat the Heat
Im Klimaplanatlas sind die Hitze-Hotspots deutlich zu erkennen. An diesen treffen hohe Sonneneinstrahlung, geringer Luftaustausch und ein Mangel an Grünflächen zusammen. Image von Elmer L. Geissler via Pixabay
Im Klimaplanatlas sind die Hitze-Hotspots deutlich zu erkennen. An diesen treffen hohe Sonneneinstrahlung, geringer Luftaustausch und ein Mangel an Grünflächen zusammen. Image von Elmer L. Geissler via Pixabay

In den Hitzesommern 2018 und 2019 verbuchte Frankfurt am Main deutschlandweit die höchsten Jahresmitteltemperaturen. Als fünftgrößte Stadt Deutschlands steht sie zudem vor der Herausforderung der Urbanisierung. Diese geht bekanntermaßen auf Kosten von Grünflächen. Hiervon ist die Stadt noch gut bedient — die Hälfte der Flächen sind grün oder blau und es gibt rund 200 000 Bäume. Jedoch schafft die Lage im Rhein-Main-Becken einen nur geringen Luftaustausch. Wie reagiert Frankfurt also auf die Erhitzung als Folge des Klimawandels?

Frankfurt erkennt die bedeutende Rolle von Grün und Blau zur Stabilisierung des Stadtklimas. „Die Anpassung an den Klimawandel ist die zentrale Aufgabe der Zukunfts- und Daseinsvorsorge in Frankfurt, so Klima- und Umweltdezernentin Rosemarie Heilig. Die Stadt passt die verfügbaren Mittel an, sodass klimaangepasste Maßnahmen möglichst schnell von gesamtstädtischer bis lokaler Ebene transferiert werden.

Zum einen braucht es dafür fundierte Datengrundlagen. Deshalb erstellt Frankfurt Gutachten, Modelle und Simulationen. So fasst beispielsweise der „Klimaplanatlas“ Wissen zum Stadtklima verständlich in Kartenform zusammen und dient als Beurteilungsgrundlage. Hier sind die Hitze-Hotspots Frankfurts gut erkennbar: immer dort, wo hohe Sonneneinstrahlung, geringer Luftaustausch und Mangel an Grünflächen zusammentreffen. Dies sind vorwiegend das Bankenviertel, Industrieparks und einige Wohngebiete. Kühle liefert dagegen der GrünGürtel, der Main-Grünraum, die Flüsse und die Winde aus Südwesten und Nordosten. Zum anderen verfolgt Frankfurt eine „doppelte Innenentwicklung: die Weiterentwicklung der bebauten Innenbereiche bei gleichzeitiger Steigerung der Freiraumqualitäten. Ihr Know-how bündelte die Stadt bereits 2008 in der behördenübergreifenden „Koordinierungsgruppe Klimawandel“. Hieraus resultierte die „Frankfurter Anpassungsstrategie an den Klimawandel 2.0“.

Seit 2022 ist Frankfurt außerdem Teil des Programmes „Global Nachhaltige Kommune Hessen“. Auf Basis der siebzehn Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erarbeitet die Stadt eine Strategie, die auf kommunaler Ebene wirkt, sowie die Lebensqualität der Bürger*innen erhöht. Dafür analysiert „Frankfurt Green City“ bestehende Nachhaltigkeitsaktivitäten und fasst die Ergebnisse in einem Nachhaltigkeitsbericht zusammen. Auf dieser Grundlage entwickelt die Stadt dann eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie.


Ferdinand Ludwig: Frankfurt setzt auf namhaften Support

Schauen wir uns die Maßnahmen zum Nachhaltigkeitsziel Klimaschutz einmal näher an. Frankfurt hat hier drei Instrumente initiiert. Erstens schreibt das Energiereferat regelmäßig Ideenwettbewerbe zum Thema Klimaschutz aus. Zweitens fördert das Umweltamt mit „Der geschenkte Baum“ Baumneupflanzungen, indem es einen Laubbaum beim Grundstückskauf verschenkt. Dadurch gibt es bereits 1 100 Bäume. Drittens gibt es das Klimaförderprogamm „Frankfurt frischt auf – 50 Prozent Klimabonus“. Dieses unterstützt Haus- und Grundstückseigentümer*innen, Unternehmen und Wohnungsbaugesellschaften beim Realisieren klimaaktiver Maßnahmen. Hierfür übernimmt die Stadt bis zu fünfzig Prozent der Kosten. Solche Investitionen können Dach- und Fassadenbegrünungen, Entsiegelung oder auch öffentlich nutzbare Verschattungen und Trinkbrunnen sein.

2023 veröffentlichte Frankfurt einen Leitfaden zur klimaangepassten Stadtplatzgestaltung. Künftig sollen Plätze nutzungsorientierter werden und an heißen Tagen Abkühlung bieten. Hierbei erhält die Bürgerschaft mehr Mitsprache. Auch helfen „Stellschrauben dabei, dass der Leitfaden leicht umsetzbar ist. Eine Referenz für so eine Umgestaltung ist der Paul-Arnsberg-Platz.

Im Kampf gegen die Hitze möchte Frankfurt auch zur „Schwammstadt“ werden. Dafür optimiert sie die graue, grüne wie auch blaue Stadtstruktur und setzt dabei mit dem Forschungsprojekt „Integrierte Strategien zur Stärkung urbaner blau-grüner Infrastrukturen (INTERESS-I) mitunter auf den Support der Professur für Green Technologies in Landscape Architecture der TUM von Ferdinand Ludwig. INTERESS-I erarbeitet beispielsweise seit 2018 Strategien, Konzepte, Entwürfe und konkrete Umsetzungen für Frankfurt. Die Stadt untersucht in diesem Zuge alle Nutzungsoptionen von Trink- bis zu Brauchwasser. Für eine nachhaltige Stadtplanung muss Frankfurt außerdem die Kaltluftströme, welche die Innenstadt belüften, sichern. Damit diese Luftströme intakt bleiben, braucht es vor allem zusammenhängende und große Grünflächen. Deshalb werden die bestehenden und geplanten Stadtbäume in Anzahl, Art und Standort optimiert. Aber nicht nur ebenerdiges Grün, sondern auch Dach- und Fassadenbegrünungen haben Kühlungseffekte auf Gebäude und Umgebung. Im Kampf gegen den Urbanen Hitzeinseleffekt rät die Stadt außerdem zu geringer Oberflächenversiegelung, Entsiegelung und Materialien mit großer Albedo. Ein Beispiel hierfür ist der Bau der Kita Sankt Philipp Neri. Die Umplanung ersetzte asphaltierten Boden mit Grünflächen.

Konzept/Visualierung: TUM
Konzept/Visualierung: TUM
Konzept/Visualierung: TUM
Konzept/Visualierung: TUM

HÜRDEN DER KLIMAWANDELANPASSUNG

Dieses Jahr entschied die Stadt mit der „Gestaltungssatzung Freiraum und Klima“ eine der bundesweit fortschrittlichsten Satzungen für die Begrünung von Grundstücken und Gebäuden. Sie verpflichtet fortan Neu- und Umbauten zu Grün an Fassaden, auf Dächern und in Vorgärten. Die Freiflächensatzung ist nötig, weil bestehende Regelungen (Bebauungspläne, Baumschutzsatzung et cetera) nicht als Klimaanpassungsmaßnahmen ausreichen. Laut David Edelmann (Grüne) ist die Satzung ein Meilenstein. Rosemarie Heilig (Grüne) wünscht sich dagegen mehr Festlegungen und Tempo: „Wir haben nun in drei Dürresommern erlebt, wie stark sich die Stadt aufheizen kann. Dagegen hilft nur mehr Grün.. Doch es gibt auch Kritik. Aus wirtschaftlicher Sicht hemmt die Neuerung die Bautätigkeit und steigert die Baukosten. Auch die Union möchte die bereits überarbeitete Satzung entschärfen. So bangt man mitunter um Einschränkungen der Eigentumsrechte. Aber ist beispielsweise das Recht auf Schotterflächen auf dem Dach oder im Vorgarten nicht dem Allgemeinwohl unterzuordnen?

Was neue Planungsgebiete angeht, haben Klimaschutzkriterien inzwischen in Wettbewerben und Planungen mehr Gewichtung. Bauvorhaben müssen fortan einen „Klimacheck“ durchlaufen und auf klimatologische Untersuchungen reagieren. Darüber sensibilisiert die Stadt ihre Bürger*innen kontinuierlich für Klimawandelanpassungen. Über Publikationen, Webseiten, Hotlines, Apps, Touren oder auch Ausstellungen informiert sie regelmäßig und transparent über neue Maßnahmen.


WIE VIEL VERÄNDERUNG GEHT?

Leider sind die Frankfurter Klimaschutzmaßnahmen bezüglich Agenda 2030 noch nicht weit fortgeschritten. Auch appelliert die Stadt zwar an die Bürgerschaft, Trinkbrunnen am öffentlich zugänglichen Eigentum zu installieren. Doch selbst realisierte sie bisher nur wenige gut erkennbare Trinkwasserstellen. Darüber hinaus gibt es erst seit diesem Jahr ein Klimareferat. Die neue Stelle vereint jetzt die Klimawandel bezogenen Inhalte aus Umwelt- und Energiereferat. Die Zeit wird zeigen, wie schnell dort Entscheidungen fallen und wie die Schnittstellen definiert sind.

Auf Stadtteilebene kann das neue Europaviertel in Frankfurt scheinen. Als eines der ersten Stadtquartiere Europas erreicht es nämlich das Nachhaltigkeitszertifikat Platin — mitunter wegen des positiven lokalen Stadtteilklimas. Aber der dazugehörige Europa-Garten fällt negativ auf. Als einer der jüngsten Parkanlagen Frankfurts war er jahrelang aufgrund von Rechtsstreitigkeiten gesperrt. Jetzt ist die Fläche sanierungsbedürftig und weiterhin unbenutzbar.

Im Allgemeinen zeigt die Vergangenheit, dass trotz umfangreicher Ideen isolierte Maßnahmen sowie Anreiz- und Beratungsprogramme von städtischer Seite oft nicht genügen, dass Klimaschutzziele erreicht werden. Die ordnungspolitischen Eingriffsmöglichkeiten von Kommunen bleiben beschränkt. Was kann also helfen? Detailliertere gesetzliche Vorgaben auf bundes- und europäischer Ebene würden die Durchsetzungskraft von Klimaanpassungsprogrammen auf lokaler Ebene vereinfachen. Und nicht vergessen — Prozesse wie „Fridays For Future“ zeigen, dass sich auch mit bürgerlichem Engagement etwas bewegen lässt.

 

Mehr zu diesem Thema in G+L 06/23.

Veröffentlicht im Rahmen der internationalen Initiative Beat the Heat.

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